Erwachsene mit ADS haben meistens Schwierigkeiten beim selbständigen, auf sich allein gestellten Arbeiten. Auch den Überblick behalten, sowie das Strukturieren und Planen machen oft Mühe. Ständig werden Sachen vergessen, Wichtiges wird aus den Augen verloren, man verliert / vertrödelt viel Zeit, schweift ab. Die Betroffenen arbeiten ineffizient und können ihr Potenzial nicht adäquat in Leistung umsetzen. Das kann zu Verunsicherung, zu Ängsten und psychischen Reaktionen, sowie zu beruflichem Versagen führen.
Ursache sind gewöhnlich neuropsychologische Beeinträchtigungen in exekutiven Funktionen:
Erfassen des Wesentlichen und von Zusammenhängen
Schwierigkeiten mit dem Analysieren und Erfassen von Zusammenhängen, findet bei komplexeren Aufgaben den Durchblick nicht, kann das eigentliche Problem nicht erkennen, kann nicht fokussieren, nicht abstrahieren, Anlauf- und Umstellschwierigkeiten.
Überblick
Mehrere Sachen können nicht im Auge behalten werden (Geteilte Aufmerksamkeit), Sachen werden übersehen, Wichtiges geht vergessen (wird aus den Augen verloren).
Strukturieren, planen
Verliert sich in Details, weiss nicht, wo/wie anfangen, weshalb Betroffene nur ganz kurze Zeit an einer Aufgabe bleiben, dann ausweichen, die Arbeit aufschieben, sich etwas anderem zuwenden und sich wieder abwenden. Sie beginnen mit der Aufgabenbearbeitung voreilig-dreinschiessend, ohne ausreichend zu planen und zu überlegen, gehen wenig systematisch vor, wählen wenig effiziente Strategien, arbeiteen umständlich und kompliziert, müssen häufig korrigieren, machen gehäuft Flüchtigkeitsfehler. Die Schwierigkeiten sind grösser bei nicht bzw. wenig vorstrukturierten Aufgaben. Typisch sind deshalb Leistungsschwankungen, erklärbar durch den Grad der Vorstrukturiertheit verschiedener Aufgaben.
Konzentration
Erhöhte Ablenkbarkeit durch innere Impulse und / oder durch äussere Reize, erhöhte Interferenzanfälligkeit (Störbarkeit), z.B. durch Telefon, neu eingegangene Mail, andere Personen in einem Grossraumbüro.
Dadurch wird vor allem sehr viel Zeit benötigt / verloren! Es wird ineffizient gearbeitet, die erbrachte Leistung steht in krassem Widerspruch zum Potenzial und zum geleisteten Arbeitsaufwand. Häufig wird ein enormer zusätzlicher Zeitaufwand getrieben, notgedrungen in der Freizeit und entsprechend auf Kosten der eigenen Erholung und der Familie.
Auswirkungen im Beruf
Die Betroffenen gelten als unzuverlässig, eventuell als wenig motiviert, es wird mangelnder Einsatz vorgeworfen. Und die erbrachten Arbeitsleistungen sind tatsächlich ungenügend. Die Folge sind schlechte Qualifikationen, geringe berufliche Aufstiegschancen und Entwicklungsmöglichkeiten, die angestrebte berufliche Verwirklichung bleibt verwehrt, es droht die Kündigung, ...
Der Druck steigt: Die Betroffenen möchten möglichst gute Arbeit leisten, was aber nicht gelingt. Das frustriert, man erlebt sich als Versager, kann sich das Versagen selber nicht erklären, und trotz vermehrter Anstrengung schafft man es nicht, die Schwierigkeiten in den Griff zu bekommen.
Das ist gar nicht möglich, weil eine Überforderung aufgrund von Teilleistungsschwächen vorliegt, was Betroffene selber aber nicht wissen. Eine solche Situation verunsichert natürlich, reduziert das Selbstvertrauen, führt zu Ängsten, erhöht den Stress und senkt so die Leistungsmotivation und das Leistungsvermögen. Die Erfolgszuversicht nimmt ab und die Misserfolgsängstlichkeit nimmt zu, die Angst vor erneutem Versagen bzw. die Gewissheit, erneut zu versagen, lähmt ("Angst macht dumm!" nach Hans Zulliger).
Mitunter kommt es zu Lösungsversuchen, die von vornherein als untauglich anzusehen sind und das Scheitern beinhalten, z.B. Verdecken, Herunter- und Überspielen von Mangelleistungen, Ablehnung von Korrektur, Verweigerung gewisser Tätigkeiten, sich entziehen durch Krankheit.
Der Druck kommt, ausgesprochen oder unausgesprochen, gewöhnlich von drei Seiten: Erstens selbst auferlegt, aufgrund eigener Ansprüche an seine Arbeit. Zweitens seitens des Arbeitgebers. Drittens seitens der Umgebung (Familie, Freunde, Arbeitskollegen). Es kommt zur Wechselwirkung und der Druck potenzialisiert sich.
Psychische Reaktionen treten in diesem Dauerstress früher oder später immer auf, auch kombiniert und in wechselnder Ausprägung. Wahllos aneinandergereiht sind das: schlechte Laune, Missmut, Überempfindlichkeit, Stimmungsschwankungen, depressive Verstimmung, Passivität, Resignation, Rückzug, nervliche Anspannung, kann zuhause nicht abschalten, verliert gegenüber den eigenen Kindern die Geduld, neigt zu "Überreaktionen", Aggressivität, Schlafstörungen, körperliche Beschwerden ("psychosomatisch"), Suchtverhalten und anderes. Worunter dann die Familie leidet, was ihrerseits den Druck erhöht (Teufelskreis). Gar nicht ungewöhnlich ist, wenn es zu einer Zunahme der Symptome kommt: Der Körper meldet sich und bleibt beharrlich!
Warum zeigen sich die Auswirkungen des ADS erst jetzt?
Am häufigsten ist dies deshalb der Fall, weil sich die konkreten beruflichen Anforderungen geändert haben oder gestiegen sind. Gründe können sein: Eine andere Stelle, eine andere Position in der Firma, ein anderer Vorgesetzter, andere oder zusätzliche Aufgaben oder ein Wechsel vom Einzel- ins Grossraumbüro.
Manchmal gelingt es, seine diskreten Teilleistungsschwächen zu kompensieren, z.B. mittels erhöhtem Zeitaufwand. Aufgrund zusätzlicher Aufgaben und damit höherer Belastung, z.B. bedingt durch eine Familiengründung, steht diese zusätzliche Zeit nicht mehr zur Verfügung und die Teilleistungsschwächen können nicht mehr wett gemacht werden. Oder aufgrund eines psychisch-emotional sehr belastenden Ereignisses (z.B. Trennung, Verlust einer nahen Person) stehen die bisher zusätzlich aufgewendeten Energien nicht mehr zur Verfügung beziehungsweise gelingt es nicht mehr, die diskreten Teilleistungsschwächen wie bis anhin zu kompensieren. Andere hatten seit eh und je Schwierigkeiten und nie genügende oder gute Qualifikationen, aber immer sehr verständnisvolle Vorgesetzte.
Bei einer insgesamt überdurchschnittlichen Hirnleistungsfähigkeit und anspruchsvoller Berufsarbeit können sich bereits sehr diskrete neuropsychologische Teilleistungsschwächen verheerend auswirken! Es ist wie ein bisshen Sand im Getriebe eines Traktor beziehungsweise im Getriebe eines Formel 1-Boliden: Der Traktor fährt sein Tempo unvermindert weiter. Der Motor des Formel 1-Wagens hingegen gerät arg ins Stocken und der Wagen bleibt vielleicht stehen.